Wollen wir über toxische Positivität reden?

Es gibt Konzepte, die davon ausgehen, Menschen neigen dazu, ihre eigene Situation massiv positiv zu überschätzen. Es ist also eine Schutzfunktion und Überlebensstrategie analytisch betrachtet, wenn man sich selbst mit toxischer Positivität überschüttet. Das ist in den meisten Fällen eine gute Sache, jedoch auch eine Falle. Positivität ist eine wichtige Angelegenheit und doch liegt auch in ihr eine Polarität, die sich mit einem trainierten Bewusstsein erkennen lässt.

Toxische Positivität-
was ist denn damit gemeint?

Toxische Positivität ist in erster Linie das unterdrücken Wollen/ Sollen von negativen Emotionen bei sich selbst und bei anderen.

Zwei Menschen tauschen sich aus, einer klagt über sein Leid, der andere erwidert
„Du schaffst das schon!“

Möglicherweise werden die zwei eine Zeit lang nicht mehr miteinander reden.

Was ist passiert? Ein Mensch schildert seine Gefühle und Emotionen, der andere gibt ungefragt Ratschläge und Wertungen. Validierung, Bedürfniserkennung und was es dafür benötigt, diese umzusetzen, bleiben aus.

Empathisch geht anders.
Idealer wäre die Achtsamkeit, die ‚Mindfulness‘, die es benötigt, nicht zu drängen oder Gefühle unterdrücken zu wollen. Raum und Zeit zu geben.

Oft benötigen Menschen vorerst das Verständnis über Emotionen und zugehörige Gefühle, welche auf offene oder versteckte Bedürfnisse hinweisen, bei denen es weniger darum geht, herauszufinden, was wir „nicht“ wollen. Mehr, was wir wollen und was es dafür benötigt.

„Ich meine es doch nur positiv!“

Diese Reaktion ist eine Rechtfertigungsanalyse, die demjenigen, der das zu hören bekommt, selten Trost und Verständnis ist, sondern mehr eine Forderung nach Verständnis für sich selbst und den kaum empathischen Schritt, sich vergessen selbst zu fragen:
„Was für ein Bedürfnis steht dahinter es „positiv“ sehen zu wollen?“

Unterstützen wollen? – Hier eignet sich die Frage „Ich möchte Dich unterstützen, was kann ich für Dich aktiv tun?“
Erleichterung? – Zuhören und Verständnis für das, was sich zeigt, reicht.
Anteilnahme? – Dich macht es auch traurig, wütend, hilflos? Sag es!
Sich selbst schützen? – Setze freundlich Grenzen. Bedanke Dich für die Offenheit und benenne Dein Bedürfnis davon Abstand nehmen zu wollen. Hier wäre vielleicht auch der Hinweis, sich entsprechende Ansprechpartner zum Thema zu suchen, sinnstiftend.
Positive Psychologie? – Erkennt alle Gefühle an. Es gibt diverse Studien, die belegen, dass sie vielen sehr nützlich sein kann. Wesentlich ist dabei: Woher kommt jemand? Wie ist jemand? Was sind die Bedürfnisse hinter den Gefühlen und Gedanken? Hier eignet sich auch in der größten Krise tatsächlich nach dem Akutzustand die Frage: Gibt es etwas, was im Moment gut ist?
Doch auch ein ‚Nein‘ als Antwort darf Platz finden.
Es gut meinen? – Gut gemeint ist die kleine Schwester vom großen Gaggimist.
Frag lieber: Was brauchst Du für Dich im Moment? Und dann frag Dich selbst, wie Dein Energielevel ist und die Machbarkeit daran mitzuwirken. Weniger ist da das neue mehr. Einfach mal ausprobieren, Druck rausnehmen „okay“ sein zu müssen.

Toxische Positivität begegnet uns permanent in der Werbung, in Kursangeboten und besonders in der Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung. Hier verstecken sich die Alles-, immer-, jeder- Glaubenssätze, Wortgifte und spirituelle Bypässe. „Du allein bist für den Schmerz verantwortlich.“, „Alles wird gut“ wenn- Bedingungen, Victimblaming, Isolation und die Aufforderung, die Gefühle zu unterdrücken statt zu regulieren, integrieren. Hier verstecken sich toxische, feminine und maskuline Energien, verwundete Krieger und Kriegerinnen, die auf andere ihre Ideologie bluten. Für das Gute kämpfen lässt manche die Verantwortung über ihr Schwert und dessen Macht vergessen.

Es braucht Kenntnis und Praxis, um seinen eigenen Positivismus anzupassen. Ein Mensch benötigt mental die komplette Gummibärenbande in Reihe mit aktivierten Symbolen, ein anderer das Verständnis für Depression oder eine Verbitterungsstörung, bei jener jegliche Positivität noch mehr in die Enge treibt. Persönlich finde ich diese Balance und das Erspüren, was der andere benötigt, wichtig doch auch ich wandele hier und da aus Unkenntnis oder fehlendem Bewusstsein auf einem toxisch positiven Pfad.

Dann ist ‚wertfrei offen fragen‘ die beste Kommunikationsform.

Um weniger toxische Positivität auszuüben, benötigt es Raum und Zeit, die wir uns Menschen geben, mehr darüber zu erfahren, zu erlernen und zu üben, all das umzusetzen. Alles hat seine Zeit – ist auch ein Glaubenssatz, doch ich steh dazu.
PS: Zeit ist relativ.

Wenn Du jene hast und Gedanken zum Thema, ich freu mich, wenn Du mir Deinen Kommentar dazu pflanzt.
Meine Arbeit unterstützen = Liebe ❤
Wie, erfährst Du hier: Unterstütze den Schutzgarten! | Der Schutzgarten (wordpress.com)


Eure Schutzgärtnerin
Manja Kendler
Februar 2023

Werbung

4 Kommentare zu „Wollen wir über toxische Positivität reden?

  1. Ein paar Gedanken.
    Wenn mir jemand seine Probleme erzählt, dann gehe ich davon aus, dass er auch eine Antwort erwartet. Ansonsten bräuchte e mir seine Probleme nicht erzählen.
    Die Antwort sollte natürlich nicht lauten “Du schaffst das schon“, sonder sie sollte ein konstruktiver Lösungsvorschlag sein.
    Ein “Du schaffst das schon“ interpretiere ich als ein, lass mich in Ruhe oder ich kann dir nicht helfen bei deinen Problemen.

    Gefällt 1 Person

    1. Das ist, man möge es mir verzeihen, ein eher männliches Phänomen dann stets einen Lösungsvorschlag anbieten zu wollen. Nach dem Motto sie suchte Verständnis und er bot Lösungen an. Das führt zu Beziehungsproblemen.
      In der systemischen Arbeit würde man vorerst fragen: Was ist Dein Auftrag an mich in dieser Angelegenheit?

      Ich denke, dass man durchaus auch ein ‚Du schaffst das schon“ aufmunternd und wohlgesonnen meinen kann, nur da ist es wieder ‚gut gemeint’… ist nett, doch die Frage ist, wie wunderbar beschrieben von Dir, wie kommt das denn beim Empfänger an? Grüße durch die Winterluft.

      Like

      1. Ich verstehe die meist weibliche Sicht “Gut, das wir mal drüber geredet haben“, nicht.
        Probleme abladen ist nachvollziehbar, Mut zusprechen wünschenswert, aber wer andere mit in sein Boot holt, sollte damit rechnen, dass Mann zu rudern anfängt.

        Gut gemeinte Lösungsvorschläge implizieren aus meiner Sicht ein gewisses Maß an Verständnis. Frau könnte dann fragen, warum erhalte ich gerade diesen Ratschlag, was sind die Hintergründe?
        Natürlich sehe ich auch den Missbrauch von Lösungsvorschlägen, wo der Ratgeber nur seine eigene Position kundtun will und auf die Bedürfnisse des anderen gar nicht eingeht.

        Frühligliche Grüße

        Like

Kommentar hinzupflanzen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..