Wollen wir über Tom und Jerry reden?

Zeichentrickfilme dominieren gegenüber anderen Programmangeboten mit dargestellter aggressiver Handlung. Meistens überstehen die Figuren die Gewalt ohne Schaden, sind männlich und zeigen in der Mehrheit eindeutige Aggressor-Opfer-Situation. Gleichberechtigte Konfliktsituationsinhalte werden nur zu 27,6 % Anteil gezeigt, laut einer Studie von Gröbel und Gleich 1993.

Eine der bekanntesten dieser Art ist seit 1939 die US-amerikanische Comic-Serie Tom und Jerry. Und mit jener habe ich mittlerweile große Bedenken und möchte auch erklären, warum.

Hier beginnt meist die Verkümmerung emotionaler Lesefähigkeit sowie eine Aufklärung darüber, was sich unter der Wut-Eisbergspitze und überzogener daraus resultierender Vernichtungsabsicht verbirgt. Konfliktlösung ist stetig Flucht und Kampf. Aneinandergereiht verlieren die gezeichnete Katze und die kleine „ach so schlaue“ Maus, Kopf und Kragen, indem sie sich gegenseitig sadistisch quälen. Unter dem Deckmantel der Brüderrivalität wird hier eine Beziehungsdynamik dargestellt, die uns tatsächlich auch täglich aus den Nachrichten anschreit nur mit mehr Toten.

So kommen der Schmerz, Frustration, Beschämung, Schuld, Ängste, Zweifel, Reizüberflutung, Furcht, sich bedroht oder ausgegrenzt fühlen, Peinlichkeit, Eifersucht, Unfairness, betrübt sein, Hilflosigkeit, Enttäuschungen, gestresst sein, Verwirrung allein sein, Müdigkeit und Trauer nur den Platz unter der Wut-Eisbergspitze während jene einfach explodiert.

Wer aufgrund von Gewaltwiderfahrnissen eine posttraumatische Belastungsstörung als Antwort entwickelt hat, versteht mitunter die gewaltigen Trigger, die sich beim Kinderprogramm darstellen.

Man lasse sich folgendes Zitat des Vizepräsidenten Bereich Serien bei Warner Bros. Animation zu der Serie im Interview mit DWDL bewusst durch den Bauch, Herz und Kopf gehen.

„Wir versuchen nicht unverantwortlich zu sein, aber gleichzeitig muss man sagen: Wenn man die deftige Action aus ‚Tom & Jerry` nimmt, dann ist es nicht mehr ‚Tom & Jerry‘. Es ist doch einfach ein alberner Cartoon in dem sich die Charaktere mit viel Slapstick gegenseitig verhauen. Ich baue da auf die Vernunft, dass niemand auf die Idee kommt, nach ‚Tom & Jerry` rauszugehen und jemandem eine Bowling-Kugel auf den Kopf fallen zu lassen.“


Mir hat der Nachbarsjunge einst ohne Vorgeschichte, beim Spielen einen Backstein auf den Kopf gehauen … Außer einer Beule blieb damals die Frage „Wie kommt er denn darauf?“

Auch ich war als Kind Fan der Serie, doch dass Menschen generell so vernünftig sind, bezweifle ich. Das gesamte Interview ist inhaltlich interessant zu lesen, ich verlinke es unter dem Beitrag.

Tom und Jerry ist kein Einzelphänomen. Die DDR hatte ihre eigene Variante aus der Sowjetunion mit „Hase und Wolf“ Nu Pogodi! (Na warte!) Jene wurde 1969-2005 von Animationsstudio Soyuzmultfilm entwickelt und lief oft als Vorabfilm in den Kinos. 20 Folgen existieren. Beispiele gefällig?

Mein Anliegen, meine Bedenken zu äußern und anzuregen, sich diesem Thema „Gewaltverherrlichung in Kinderserien und Filmen sowie auch Spielen“ zu nähern und Wahrnehmung zu fördern. Dass wir Kinder durchaus helfen mit diesem Wechselspiel aus Anspannung (Mobilisierung) und Entspannung im aktiven Bereich, lässt sich nachweisen. Das gute alte „ich fang Dich“ oder „Verstecken“ Spiel simuliert eine Flucht-Kampfsituation auf natürlichem Weg und fördert die Selbstregulation des autonomen Nervensystems zu verstehen und zu entwickeln.

Vorausgesetzt gewaltfrei und man fragt auch mal nach.

„Na, was machst du in deinem Körper gerade?“ oder „Wie fühlst Du Dich gerade?“

Hier noch eine Auswahl an alternativen Zeichentrickserien, auch spannend, doch mit mehr Anspruch auf emotionale Lesefähigkeit aus meiner Sicht.

David, der Kabauter
Die Gummibärenbande
Die Biene Maja
Der kleine Maulwurf
Heidi
Wickie
Tim und Struppi
Lolek und Bolek
Die Jetsons
Adolars phantastische Abenteuer
Als die Tiere den Wald verließen
Marsipulami
Leo Lausemaus
Ariel die Meerjungfrau
Neue Abenteuer mit Winnie Puuh
Snoopy
Garfield
Käpt’n Blaubär
Käpt’n Balu und seine tollkühne Crew


Pflanzt mir gern Eure Gedanken unter den Beitrag dazu.
PS: Erinnert sich noch jemand an Pom Pom aus „alles Trick“?  

DWDL.de-Interview mit Jay Bastian, Vice President Series bei Warner Bros. Animation
„Ohne ein bisschen Gewalt wäre es nicht ‚Tom & Jerry'“

Wollen wir über die Wut sprechen? – Schutzgartenbeitrag
Antworten der Liebe auf Gewalt – Schutzgartenbeitrag
Märchen

Meine Arbeit unterstützen = Liebe 

❤

Wie erfährst Du hier: Unterstütze den Schutzgarten! | Der Schutzgarten (wordpress.com)

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Eure Schutzgärtnerin
Manja Kendler
Mai 2023


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6 Kommentare zu „Wollen wir über Tom und Jerry reden?

  1. Ich erinnere mich an damals, wo ich als Kind Hase und Wolf gesehen habe. Und ja wie Tom und Jerry fand ich es einfach unmöglich, dies als positives Fernseherlebnis zu sehen und für meine Kids als „gut“ zu befinden.
    Wir hatten die Filme vom kleinen Maulwurf. Zudem fanden meine Kids Lauras Stern und Caillou ganz toll.

    Gefällt 1 Person

  2. Es ist ganz eigenartig, aber genau deswegen habe ich Tom & Jerry als Kind schon nicht gemocht. Ich fand es nicht nur stinklangweilig (es folgt keine intellektuell herausfordernde Handlung), ich war abgestoßen von der Stupidität. Leider wird das bis heute unseren Kindern vorgesetzt und als normal und unterhaltsam angepriesen. Ist es aber nicht!

    Eine Sendung, die etwas anspruchsvoller ist, in der Gewalt von Eltern gegen Kindern auch vorkommt (mir als Kind aber damals noch relativ normal vorkam, auch wenn ich es mir anders gewünscht hatte) war Kum Kum, ein Junge aus der Steinzeit. Das kann man schon etwas differenzierter sehen und ich verstehe nicht, weshalb diese Sendung aus der Fernsehlandschaft komplett verschwunden ist, manche Szenen hätte man ggf. einfach schneiden sollen.

    Einen friedlichen und anspruchsvollen Vorschlag habe ich auch noch: Anne mit den roten Haaren. Kennst du sie, liebe Manja? Wie findest du die Serie? Ich habe mir sie jüngst gekauft, da es im Angebot für sehr wenig Geld ist, es ist eine schöne Kindheitserinnerung und ich habe gerade Zeit es zu schauen.

    Gefällt 2 Personen

  3. Interessante Gedanken. Ich bin über 40 und erinnere mich, dass es in meiner Kindheit schon auch Diskussionen gab, dass Tom & Jerry und ähnliche Cartoons doch ziemlich brutal seien. Damals gab es jedoch kein Social Media und in den Medien wurde das Thema, wenn überhaupt, nur am Rande mal besprochen. Aber ich weiß noch, dass auch damals nicht alle alles gut fanden, was im Fernsehen lief. Im Gegenteil. Man war sogar recht kritisch und auch diskussionsfreudig über die Inhalte. Wogegen ich heute eher das Gegenteil wahrnehme. (Ist aber sicher subjektiv, habe keine Umfragen parat.)

    Dabei ist gerade Thema Gewaltverherrlichung im Kinderfernsehen und auch insgesamt im allgemeinen deutlich zu beobachten. Ich finde, da hat die letzten 30-40 Jahre ein Wechsel stattgefunden.
    Während man sich in den 90ern noch Gedanken machte, wenn ein FSK16 Film um 20:15 Uhr im TV lief und die Leute entrüstet Leserbriefe schickten, regt das heute kaum einen mehr auf. Man verlässt sich auf die Technik, schiebt es auf Jugendschutzeinstellungen am TV-Gerät und auf die Eltern, die ihre Kinder nicht genug überwachen. Weil Erwachsene immer weniger Rücksicht auf jüngere Zuschauer nehmen wollen. Bei allem wird gleich „Rechte, freier Wille, Selbstbestimmung“ gerufen, damit man ja keine Rücksicht nehmen muss. Dabei wäre es heute, für die die sich sowas unbedingt reinziehen wollen, ein leichtes, sich das privat übers Netz anzuschauen, als dafür im linearen Fernsehen danach zu verlangen. Hier kann man sich anscheinend nicht mehr auf ein Mindestmaß an entsprechende Uhrzeiten und gegenseitige Rücksichtnahme verständigen. Es zählt die allzeit Verfügbarkeit und das breit gefächerte Angebot zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das war früher anders, ohne die „früher war alles besser“ Floskel zu bemühen. Es ist einfach ein Erfahrungswert als über 40 Jahre TV-Zuschauer.

    Aber nicht nur Gewalt wird heute verherrlicht und normalisiert. Auch sexuelle Inhalte werden immer mehr im ganzen TV-Programm verstreut. In der Werbung, in Filmen und ja, auch in Kindersendungen. Warum werden Kinderzeichentrickfiguren schon auf heutige Schönheitsideale getrimmt? Es gibt da viele Beispiele von Sendungen, die es schon in den 70/80ern gab und wie die Figuren damals aussahen und wie heute.
    Früher knuffig, verspielt, kindgerecht.
    Heute geschminkt, mager-schlank, langbeinig, körperbetont und mehr wie ein Model als wie eine Kinderheldin.
    Ja, gleiches sagte man früher mal über Barbie oder gewisse Actionfiguren für Jungen.
    Aber ich finde, es ist extremer geworden.
    Aber das ist noch ein zusätzliches Thema.
    Mache für heute mal Schluss, sonst wird’s zu viel.
    Viele Grüße

    Gefällt 3 Personen

    1. Wow Livia, danke für Deine wertvollen ergänzenden Gedanken und Beobachtungen dazu, Ich sende Dir Grüße und freue mich, das Feedback in den ersten Minuten nach Veröffentlichung zeigt mir eindeutig: Wir sind da nicht allein mit unseren Bedenken. Danke.

      Gefällt 1 Person

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