Wenn Täter sich als Opfer erklären – über DARVO, #MeToo und Erlernte Hilflosigkeit

Die Loslösung nach narzisstischen Missbrauch und seinen Folgen, bringt neben der Innensicht auch die Aufgabe mit sich, mit dem Erlebten umzugehen, sich Vertrauten zu öffnen, in einzelnen Fällen ist es notwendig, weiter zu gehen, sich zu wehren, Anzeige zu erstatten kurz: sich erklären.

Dann lauert eine bekannte Gefahr und die hält Opfer in Kreisläufen und manövriert sie direkt wieder in einen, wenn nicht gerade die Menschen selbst und im Umfeld (Richter, Gutachter, Begleiter, Therapeuten, Anwälte) von ihr wissen. Der Moment wenn der Täter sich als Opfer darstellt.

Dabei geht es, um einen Handlungscluster von Manipulatoren und Tätern. Dank Jennifer J. Freyd amerikanische Psychologie-Professorin und Autorin, hat das ganze einen Namen. Ursprünglich ist es ein Zweig der Psychologie zu Opfern sexueller Übergriffe, und der Begriff erschien 1997 in ihrem Werk „Violations of power, adaptive blindness, and betrayal trauma theory“. Da die Psychologie keine Unterschiede zwischen sexueller, physischer und psychischer Gewalt macht, ist es ein viel breiteres Thema und passend zum Beitrag gestern, bin ich durch Inner Integration auf sie aufmerksam geworden und möchte Euch DARVO nicht vorenthalten. Ich versuche  Beispiele zu finden , die nicht all zu sehr triggern.

DARVO – Deny, Attack and Reverse Victim and Offender

Verleugnen, Angreifen und Opfer-Täter-Umkehrung

1.
Spricht das Opfer die Tat an, setzt der Täter direkt an, das Gesagte zu entkräften, in dem es einfach nicht passierte, oder anders passierte. Deine Wahrheit vs die des Täters.

„Das ist so nicht passiert!“
„Das hab ich nie gesagt!“
„Du wolltest es doch auch!“
„So schlimm war es doch nicht!“
„Du kennst mich doch!“
„Du wolltest das doch nicht!“
„Du hast doch keine Angst vor mir!“

Bereits hier, wird das Opfer verunsichert, erlebt eine Doppelbindung (Realität Handeln des Täters vs Wahrheit des Manipulators) und beginnt sich, im schlimmsten Fall bereits hier, zu hinterfragen an. Übertreibe ich? Ist das so gewesen? Hab ich falsche Signale gesendet? Hab ich jetzt provoziert?

Anmerkung: In gesunden Beziehung mag das auch normal sein, sich gegenseitig zu reflektieren und über das Gesagte nachzudenken. In toxischen Beziehungen ist das Ziel Kontrolle und Macht und dafür muss der Wille und Glaube des Anderen gebrochen werden.

2.
Im zweiten Schritt holt der Täter zum Angriff aus.
„Wenn ich so ein schlechter Mensch bin, warum verlässt Du mich nicht?“
„Du übertreibst!“
„Du willst mir schaden!“
„Es hat Dir doch Spaß gemacht“
„Du weißt, das würde ich nie machen!“
„Das ist doch krank von Dir!“
„Wenn Du das so sagst, dann …“

Da kommt dann die ganze Palette an Taktiken zum Zug, Ausschweigen, Schuldumkehr, Nachäffen, Entwerten, Spiegeln/Projektionen, Lügen, Minimierung … Drohungen.

Und ja, DARVO wird auch von Institutionen ausgeübt, Therapeuten und Angehörigen.

3.
Das ursprüngliche Anliegen des Opfers kommt unter den Tisch, als ehemalige Betroffene möchte ich es beschreiben: wie verschwunden. Nebulös kommt man selbst entweder in eine Rechtfertigungsschlaufe oder wird direkt mit Schuld und Selbstscham sowie Zweifeln überhäuft. An den Beginn solcher Diskussionen kann man sich nicht mehr erinnern, solange man „umnebelt ist“. Das macht angst, krank und brennt aus.
Gaslighting!

Es entsteht die klassische Täter-Opfer-Kontrolldynamik.
Um die zu durchschauen, braucht es tieferen Einblick in die Beziehungen.
Dokumentation.

Ein Beispiel, bei dem man das sehr gut beobachten kann, sind die MeToo Anklagen. Reaktionen von Beschuldigten lassen massenhaft diese Taktik erkennen. „War ich nicht, die hat Spaß gehabt und jetzt will Sie mein erfolgreiches Leben ruinieren.“

Man kann sich als Außenstehender eventuell vorstellen, wie wütend und hilflos sich Betroffene von DARVO in den Debatten fühlen mögen. Es entsteht ein erneutes Trauma aus Verrat, Untreue und Enttäuschung.

Auch hier schließe ich nicht aus, dass es auch tatsächlich als Schmierenkampagne genutzt wird, Es ist etwas für Fachleute nicht die Öffentlichkeit. Und wenn wir gerade bei #MeToo sind,

Es ist mir ein absolutes Fremdschämen, wie in den hiesigen Medien Frauen verachtet und missbraucht werden. Doch auch die billigsten Sprüche gegenüber Männern sind krank. „Der ist ja ein Schnuckel!“ Ist sexuelle Schablone. Wir haben eben ein kollektives sexualisiertes Trauma, wo Pornobildchen normal, aber zu wissen, was eine Yoni ist, bereits Fachwissen bedeutet. (Laaaaaaanger Faaaaaacepalm) Zurück zum Thema.

Eine Langzeitwirkung von DARVO, ist die erlernte Hilflosigkeit. Diese verhindert, sich aus solchen Beziehungen zu lösen. Es ist die Annahme, diese Situation nicht mehr ändern oder kontrollieren zu können und macht depressiv. Das bewusste Verstehen dieser Zusammenhänge, ist die Voraussetzung, diese Kreisläufe zu durchbrechen. Das heißt auch, sich dieser Scham und Realitätschecks zu stellen, in die produktive Wut zu kommen und sich die Kontrolle über sich selbst zurückzuholen, Schattenarbeit mit psychologischer Unterstützung. Schritt für Schritt und dabei sich so viel Ruhe, wie möglich zu gönnen.

Dr. Jennifer J. Freyd belegt ihre Arbeit mit mehreren Studien unter anderem das DARVO-geschultes Personal auf Amtswegen, deutlich mehr dieser Fälle registriert und entsprechend intervenieren kann.

Ich danke Meredith Miller von Inner Integration, für den Link zu DARVO:
https://dynamic.uoregon.edu/jjf/defineDARVO.html

Weitere Beiträge:
Entschuldigung, das kann ich nicht vergeben oder verzeihen
Scham Schuld und Wut
Was ist narzisstischer Missbrauch?
Heute sag ich es …
Täter, Opfer oder beides?

Ich weiß, harter Tobak, aber auch dieses kollektive Wissen wächst, wie gerade jetzt, wo Du das hier liest. Teilen hilft auch Anderen! Bleibt wachsam und schutzgärtnerisch.

Die Schutzgärtnerin
Manja Kendler

Oktober 2018

6 Kommentare zu „Wenn Täter sich als Opfer erklären – über DARVO, #MeToo und Erlernte Hilflosigkeit

  1. Danke für wieder ein Stück mehr „Augen öffnen“..ich hoffe so sehr, dass das kollektive Wissen wirklich wächst und ich nicht so allein dastehe…privat und auf Arbeit – denn dort gibt es Mobbingtäter…
    Jedem Tag selbst einen Sinn geben und kleinschrittig denken ist die Devise.
    Im Moment übe ich mich täglich in mehr Selbstliebe…Ja – ich muss das neu einüben. 🙂
    Liebe Grüße an dich Manja und alle, die hier heute und die Tage lesen.

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  2. Liebe Manja, Du beschreibst es treffend. Alles erlebt. Es geht nur voran durch ganz klaren Schnitt, nicht vielleicht oder so, sondern totaler Kontaktabbruch.
    Alles andere lässt Dich psychisch unter die Räder kommen. Passt auf Euch auf.

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